Definition Rückstau in der Gebäudeversicherung durch das Kammergericht Berlin

Auch wenn dieser Sommer keinen Anlass für Wasserschäden nach Starkregenereignissen gegeben hat, so war das 2016 und 2017 doch anders. An einer Reihe von Tagen traten nach schweren Niederschlägen Wasserschäden an und in Gebäuden auf. Häufig war dabei ein Eindringen von nicht ablaufenden Niederschlagswasser über Terrassen und Balkone in Wohnungen festzustellen. Meldete der geschädigte Versicherungsnehmer den Schaden an Teppich und Fußböden dann beim Versicherer an, kam es in vielen Fällen zu einer bösen Überraschung. Der Versicherer zahlte nicht, da nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen für die Gebäudeversicherung kein Rückstau als versichertes Ereignis vorlag.

Urteil des Kammergerichts Berlin vom 18. Mai 2018,6 U 162/17

Bei einem Starkregen war die Balkonentwässerung eines Gebäudes überlastet. Der Regen konnte nicht ordnungsgemäß abgeführt werden, sondern drang über die Balkonschwelle in die Wohnung ein und verursachte Schäden am Fußboden. Der Gebäudeversicherer verweigerte die Regulierung des Schadens und wurde zunächst vor dem Landgericht Berlin auf Zahlung der Schäden in Anspruch genommen. Vor dem Landgericht erkannte der Versicherer einen Teil des Schadens an, da mit dem Versicherungsnehmer eine Zusatzklausel vereinbart war. Im Übrigen ging der geschädigte Versicherungsnehmer jedoch leer aus. Das Landgericht wies die Klage ab. Mit der Berufung vor dem Kammergericht Berlin wollte der Versicherungsnehmer seinen weiteren Schaden erhalten. Die Berufung war jedoch nicht erfolgreich.

Kein Rückstauschaden im Sinne der Bedingungen der Wohngebäudeversicherung

Versichert in der Wohngebäudeversicherung mit verbundener Elementarschadensversicherung sind entsprechend den Versicherungsbedingungen Leitungswasserschäden und Rückstauschäden. Es muss also ein bestimmungswidriger Austritt von Wasser aus dem Rohrsystem des versicherten Gebäudes vorliegen. Das hat das Landgericht verneint und dem ist das Kammergericht beigetreten. Der Versicherungsnehmer hatte dazu vorgetragen, dass es das Entwässerungssystem des Balkons nicht schaffte, die anfallenden Wassermassen schnell genug abzuleiten. Deshalb habe sich Wasser gestaut und sei in der Folge in seine Wohnung und die darunter gelegenen Wohnungen eingedrungen. Hier das Landgericht und ihm folgend das Kammergericht darauf hingewiesen, dass bereits nach dem Vorbringen des Versicherungsnehmers kein bestimmungswidriger Austritt von Niederschlagswasser aus dem Rohrsystem vorliege. Das austreten von Wasser aus dem Rohrsystem setze voraus, dass es zuvor in das Rohrsystem eingetreten ist.

Nach Auffassung von Landgericht Berlin und Kammergericht reicht kein Stau im allgemeinen Sinne aus. Vielmehr muss Wasser aus dem Rohrsystem des Gebäudes herausgedrückt worden sein. Das Niederschlagswasser habe jedoch bereits nicht in das Rohrsystem der Ableitung vom Balkon eintreten können. Damit sei der Wortlaut der vereinbarten Klausel zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer nicht erfüllt. Nur der bestimmungswidrige Austritt aus einem Rohrsystem und nicht der bestimmungswidrige Nichteintritt in das System seien versichert.

Strenge Auslegung der Versicherungsklausel am Wortlaut

Nach Auffassung des Kammergerichtes gebieten auch nicht Sinn und Zweck der vereinbarten Versicherungsklausel einer Auslegung zu Gunsten des Versicherungsnehmers. Nicht alle Gebäudeschäden sollen bzw. müssen automatisch versichert sein, die durch Witterungsniederschläge entstehen können. Abgestellt auf den Erkenntnishorizont des durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse dürfe dieser nur erwarten, dass die in den Bedingungen klar definierten Risiken durch die Versicherung gedeckt sind. Diese Risiken seien (wie allgemein üblich) die Überschwemmung des Versicherungsgrundstückes und der Rückstau.

Stellungnahme und praktische Auswirkungen

Die Entscheidung des Kammergerichtes ist durchaus keine Einzelmeinung. Auch andere Obergerichte urteilen in gleicher Weise. Wenn Niederschlagswasser überhaupt nicht in das Ableitungssystem von Terrassen oder Balkonen eintreten kann, soll danach kein Rückstau im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegen. Mich überzeugt diese Rechtsprechung nicht. Wenn das Abwassersystem aufgrund Überlastung Wasser nicht abführen kann, was soll das anderes sein als eine Stauung? Für den Eigentümer und Versicherungsnehmer ist wichtig, hier ein Problembewusstsein zu entwickeln. Die Gebäudeversicherer bieten unterschiedlichste Produkte an, eine Beratung zu den möglichen Risiken ist notwendig. Der dem Gerichtsverfahren zu Grunde liegende Schadensfall ist in den letzten Jahren äußerst häufig aufgetreten. Wenn man dieses Risiko absichern will, helfen die Standardprodukte der Gebäudeversicherer wohl nicht. Es ist eine zusätzliche Absicherung notwendig.

Rechtsanwalt Jörg Schulze-Bourcevet
Fachanwalt für Versicherungsrecht

Schlagwörter: